Ab in die Wildnis Part III: Besuch bei Nomaden im Terelj Nationalpark

Ab in die Wildnis Part III: Besuch bei Nomaden im Terelj Nationalpark

 

Als wir an der Bushaltestelle in Terelj ankamen beobachteten wir drei betrunkene Mongolen neben einem alten russischen Geländewagen, die sich eine Schlägerei lieferten. Wir wussten da noch nicht, dass genau dieser Geländewagen uns abholen sollte, inklusive der betrunkenen Mongolen.

Wie viele Menschen passen in einen Standard-Geländewagen? Wir zählten nach: zehn, inklusive uns, davon sechs nüchtern und vier sturzbesoffen. Der Fahrer (nüchtern), zwei auf dem Sitz neben ihm (betrunken, einer fiel ständig ins Lenkrad), fünf auf der Rückbank (nüchtern) und zwei weitere im Kofferraum (betrunken).

“Hallo. Mein Name ist Hogy. Ich bin Mongol.” Hogy, der hinter uns im Kofferraum saß, erzählte uns das etwa 25-mal während der holprigen Fahrt durch Flüsse, Schlamm und Wald. Der Motor verreckte ein paar Mal auf dem Weg, zum Glück hatte der Wagen eine Anlasserkurbel, wie man sie aus alten Schwarzweiß-Filmen kennt, man steckt sie vorne ans Auto und kurbelt, um zu starten. Wir erreichten schließlich unsere erste Jurte. Hogy und seine betrunkenen Freunde hatten das gleiche Ziel. Den Rest des Abends wurden wir mit Milchtee und einer Gemüsesuppe mit Wursteinlage versorgt, leider steckte die Wurst in einem ziemlichen dicken und zähen Stück des Darms, nicht so lecker…

Hogy war noch bei uns, und noch immer teilte er uns mit: “Ich bin Hogy, ich Mongole, ich stark, Dschingis Kahn” und immer noch fragte er nach unseren Namen. Mittlerweile habe ich ihm gesagt, ich bin Henry, John, David, Sven … war eh egal, welchen Namen ich ihm sagte, alle paar Minuten fragte er sowieso nochmal nach.

Wir verbrachten die Nacht in einem Ger mit fünf Betten, zum Glück mussten wir es nicht mit unseren betrunkenen Begleitern teilen, sondern mit einem kanadischen Paar, die ihren letzten Abend hatten und am nächsten Morgen zurück nach Ulan Bator fuhren.

Am nächsten Morgen bekamen wir Brot und eine Art Frischkäse, der wie Sahne aussah und nach feuchten Schaf schmeckte, serviert. Nachdem die Kanadier zur Bushaltestelle aufgebrochen sind, bekamen wir ein weiteres, warmes Frühstück in der Familienjurte, das recht lecker war. Als unsere Gasgeber dann mit den Pferden zurückkehrten, war es auch für uns Zeit, zur nächsten Jurte weiterzuziehen.

Endlich auf dem Pferderücken!

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Nun ging es los, wir fetzten durch die mongolischen Steppe, zumindest in meiner Phantasie. Es stellte sich heraus, dass mein Pferd, H’Darr, sogar noch fauler war als ich, so ich sah Anja und unsere beiden mongolischen Begleiter davon reiten, bis ich H’Darr endlich davon zu überzeugen konnte, einem Huf vor den anderen zu setzen.

Mit der Zeit wurde es besser und schließlich waren sogar einige kurze Galopps möglich. Zwar war meins nicht das schnellste Pferd, dafür war es sehr mutig und hatte keine Probleme mit sehr steilen Gefällen oder tiefen Gräben, im Gegensatz zu einigen anderen. Aber selbst wenn ich die anderen eingeholt hatte, weigerte er sich an ihnen vorbei zu ziehen, es musste immer mindestens einen halbe Pferdelänge hinter den anderen, weshalb ich nur Bilder von der Rückansicht der anderen habe.

Aber es machte Spaß. Anja auf der anderen Seite hatte ein viel schnelleres Pferd, Hurun, obwohl es anfangs auch einiges an Überzeugung brauchte.

Drei Stunden Ritt, im Wald verirrt, zweimal an verschiedenen Jurten nach dem Weg gefragt, einen Begleiter im Wald verloren aber wiedergefunden und wir waren beim nächsten Gastgeber, Bogy, (nicht zu sein verwechselt mit Hogy), der schon auf uns wartete. Gleiche Prozedur wie immer, Milch-Tee, Snacks, Vorstellungsrunde, ich arbeite als … und so weiter.

Wir ruhten uns etwas aus bis es dann Abendessen gab. Die Nacht verbrachten wir wieder in unserer eigenen Jurte. Am nächsten Tag gab uns Bogy’s Frau eine Einführung im traditionellen Nähen und nähte uns flink zwei maßgeschneiderte Handytaschen als Souvenir, sehr nett. Sie hatte eine echte antike Pedal-Nähmaschine. Dann war es Zeit weiter zu ziehen. Dieses mal auf einem Ochsenkarren, bisschen langsam aber ok, da es eh nur ein Kilometer weit war.

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Unser nächster Gastgeber, Herr Bolt, war ein berühmter Pferdetrainer in der Region und besaß eine recht große Herde von Pferden. Wir konnten zusehen wie er und seine Frau die Stuten melkten (aus sicherer Entfernung, da die Stuten gerne treten). Später probierten wir Airag, fermentierte Stufenmilch, die daraus hergestellt wurde, schmeckt wie Joghurt mit einem Spritzer Zitrone aber flüssiger, nicht schlecht eigentlich (obwohl Anja es nicht mochte und wer kein Belgisches Geuze mag wohl auch nicht mögen wird). Anja durfte dann bei der Herstellung von Boortsog helfen, gebratener Teig, in ähnlich eines Donuts, sehr lecker, vor allem, wenn sie frisch und noch heiß sind. Die Mongolen tauchen sie in Milch-Tee oder löffeln Urum darauf, sehr ähnlich dem englischen Clotted Cream und auch sehr lecker. In der Zwischenzeit habe ich mich an Bogenschießen versucht.

Am Nachmittag fuhren Herr Bolt und einer seiner Jungs, müsste etwa 14 gewesen sein, mit dem Ochsenkarren los um ein Schaf zu holen, das auf einer Hochzeit serviert werden sollte. Am frühen Abend kehrten sie zurück und wir erfuhren, dass das Tier, das sie mitbrachten, direkt geschlachtet werden sollte. Wer sich die Details ersparen will, sollte den nächsten Absatz überspringen.

Herr Bolt und der Junge knoteten das Schaf los und trugen es zum Eingangsbereich der Familienjurte. Sie drehten es auf den Rücken, der Junge hielt die Hinterbeine fest, Mr. Bolt kniete über dem Oberkörper, rasiert die Wolle knapp unterhalb der Rippen und machte mit dem Messer einen kleinen Schnitt im Brustkorb, vielleicht zwanzig Zentimeter lang. Dann griff er mit der Hand hinein, packte das Herz und drückt es fest bis das Schaf tot war. Das ganze Verfahren dauerte nicht länger als drei Minuten, in denen das Schaf nicht viel Laut von sich gab. Auf diese Weise bleibt das Blut im Tier, und kann nach dem Ausnehmen zum Beispiel für Wurst verwendet werden. Anschließend nahmen sie es mit in ihre Jurte, wo sie wohnen, schlafen, kochen, und nahmen es dort aus. Für uns mag es abschreckend erscheinen, für sie ist es Normalität.

Die Art der Schlachtung mag uns grausam erscheinen, man darf aber nicht vergessen, dass die mongolischen Tiere viele Jahre in Freiheit leben, und insgesamt ein sehr viel artgerechteres Leben haben als die, die wir im Supermarkt kaufen. Außerdem bilden sie die Lebensgrundlage der Nomaden in der kargen Landschaft. Dementsprechend wird nichts verschwendet, sie nutzen das Fleisch, und sind nicht wählerisch, welches Teil sie essen, das Blut, die Wolle, Haut, Knochen und Eingeweide.

Am nächsten Tag ging es weiter zu unserer letzten Jurte auf diesem Trip. Wieder mit dem Ochsenkarren. Wir waren ein bisschen enttäuscht, dass wir nicht noch mal reiten konnten, aber es war eine ziemlich kurze Reise. Unsere nächste Familie war damit beschäftigt, die Winterstallungen für ihre Tiere zu bauen, so dass wir Zeit für uns hatten, zum Entspannen in der warmen Herbstsonne, um Tiere zu beobachten und Holz und Birkenrinde für die kommende Nacht zu sammeln.

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Am nächsten Morgen wurden wir zurück zum Busbahnhof gefahren, wo wir den 8 Uhr hr Bus zurück nach Ulan Bator nahmen. Das wichtigste Fazit? Nach einer Woche in der Wildnis lernt man den Wert einer heiße Dusche erst richtig zu schätzen!

 

Ein paar Bilder:

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