Lieber Greyhound,

Lieber Greyhound,

 

es tut uns sehr leid, aber wir müssen leider mit Dir Schluss machen. Du warst uns 5399 Kilometer lang ein treuer Gefährte, hast uns von der Ost- zur Westküste der USA befördert. Acht Mal gingen wir mit Dir auf Reisen, davon vier Mal über Nacht. Wir verbrachten 81 Stunden und 25 Minuten in Deinen Bussen und in 14 Deiner Busstationen. Bei Dir lernten wir, wie groß die USA wirklich sind: Unsere längste Busfahrt zog sich 16 Stunden hin, von Savannah in Georgia nach New Orleans. Die kürzeste dauerte immer noch vier Stunden (Austin nach Dallas).

Unsere Beziehung war nicht immer leicht. Viele Freunde und Menschen, denen wir unterwegs begegneten und von uns erzählten, verstanden nicht, wieso wir ausgerechnet mit Dir reisen. Die USA ist ein Auto-Land, viel mehr noch als Deutschland. Eine AirBnB-Gastgeberin hat unsere Unterkunft einmal kurzerhand storniert, als sie erfuhr, dass wir mit Dir ankommen. „Wer bei mir bleiben will, muss ein Auto haben“, so ihre knappe Begründung. Diese unverhohlene Ablehnung war glücklicherweise aber die Ausnahme. Manchmal wurden wir nur schräg angeschaut, manchmal machten Leute Witze über Dich. So wie der Besitzer in dem Hutladen in Albuquerque, in dem Henry seinen Stetson-Hut kaufte. „Greyhound? Damit sind ein paar irre Leute unterwegs, da könnt ihr diese sicher gut gebrauchen…“ lachte er, holte seine Pistole raus und reichte sie uns zum Scherz.

Und teilweise stimmte seine Einschätzung, wir haben ein paar seltsame Typen in Deinen Bussen und Stationen gesehen. Anfangs haben wir uns noch amüsiert, zum Beispiel über die Schilder, die warnten, ohne Schuhe und T-Shirt werde man nicht bedient. Aber das Lachen ist uns bald vergangen. Da war beispielsweise der Typ, der in der Jacksonville Station rumrandalierte, schrie und fluchte. Ich hatte keine Ahnung, warum. Oder der Typ, der auf dem Weg nach Savannah hinter uns saß und seinem Sitznachbar unbekümmert erzählte, er sei gerade nach vier Jahren aus dem Knast entlassen worden. Er hatte einem anderen Kerl den Arm gebrochen. Immerhin tat er dies nur, um zu verhindern, dass der eine Frau vergewaltigt, daher beunruhigte mich das nicht sonderlich. Dann war da diese Frau in der letzten Reihe auf der Nachtfahrt nach Albuquerque. Um zwei Uhr nachts begann sie plötzlich zu schreien und beschuldigten ihren Sitznachbar, sie um 250 Dollar beklaut zu haben. Da der Busfahrer nicht wirklich viel tun konnte, drohte sie lautstark, die Sache selbst in die Hand zu nehmen und den Beschuldigten mit einer Flasche eins überzubraten. Als sie dann auch noch aufstand und sich fluchend nach vorne, in Richtung Busfahrer bewegte, stand eine andere Frau, vielleicht 45 Jahre, kurz und kompakt, Lederjacke und Jeans, Typ alterndes Cowgirl, auf stellte sich ihr in den Weg, und machte ihr klar, dass sie nicht zulassen würde, dass sie jetzt den Fahrer und Mitfahrer mit ihrem Gebaren gefährde. Als wir unsere nächste Raststätte erreichten, wartete die Polizei bereits und vernahm die Dame, den von ihr Beschuldigten und ein paar Leute, die um das illustrie Paar herum saßen. Am Ende wurde niemand verhaftet, und wir hatten den Rest der Fahrt unsere Ruhe.

Bemerkenswert ist, dass gerade die Leute, die auf den ersten Blick besonders furchteinflößend aussahen, zum Beispiel ganzkörpertätowiert, oder sogar im Gesicht tätowiert waren (und nirgendwo sonst habe ich so viele Menschen mit Gesichtstattoos gesehen, wie in Deinen Bussen und Stationen…), sich als nette, höfliche Mitreisende entpuppten. Die, die den Ärger verursachten, waren häufig von unauffälligem Erscheinungsbild. Apropos Tattoos: Als wir in Las Vegas auf unseren allerletzten Bus warteten, der uns nach Los Angeles bringen sollte, wurde mir abrupt klar, dass wir uns richtig entschieden hatten, dass es nun Zeit wird, uns wieder von Dir zu trennen. Im Wartebereich hinter uns saß ein Typ, circa 50 bis 60, weiß, mit einem rieisigen Hakenkreuz-Tattoo auf dem Hals. Offensichtlich mit Stolz getragen, denn die langen Haare waren zusammengebunden, so dass sie nicht die Sicht versperrten. In vielen Restaurants und Cafés überall in den USA habe ich Schilder gesehen, nach denen sich die Gastronomen das Recht vorbehalten, Kunden nicht zu bedienen oder rauszuwerfen, die nicht ins Bild passten – genau für diese Fälle halte ich das für absolut angebracht. Lieber Greyhound, kannst Du Deine Unternehmenspolitik in der Richtung nicht auch überdenken?

 

Nun, wir wissen, dass wir Dich nicht für Deine Kunden verantwortlich machen können. Aber für Deine Mitarbeiter. Deine Sicherheitsmitarbeiter haben uns regelmäßig gemaßregelt, nur weil wir irgendwo standen, was ihnen nicht passte. Als Passagier darfst Du offensichtlich nur in den designierten – regelmäßig viel zu kleinen – Wartebereichen sitzen oder in der Schlange vorm Ticketschalter stehen. Hälst Du Dich irgendwo anders länger als ein paar Sekunden auf, wird ein Sicherheitsmenschn Dich ziemlich schnell verscheuchen. Und das nicht immer freundlich. Besonders nervig war das in Dallas, als wegen des Wintereinbruchs mehrere Busse ausfielen oder sich verspäteten und die Station einfach überfüllt war mit gestrandeten Reisenden. Auskünfte gab es auch keine,

Deine Fahrer auf der anderen Seite haben wir als lustige, nette Menschen kennengelernt. Manchmal echte Entertainer im Bus. Nur einmal wurden wir Zeuge eines nicht so netten Vorfalls: In Jacksonville wartete ein Mann mit seinem Hund, einem Golden Retriever. Der Hund war freundlich, brav, irgendeine Art Assistenzhund, aber er war etwas aufgeregt und wollte mit einer nahe sitzenden Frau spielen und bellte kurz ein bißchen. Kein aggressives Bellen, eher so ein erzählendes, wie Hunde sich in solchen Situationen manchmal äußern. Der Busfahrer hörte von draußen das Bellen und drohte dem Besitzer, er dürfe nicht mitfahren, wenn er seinen Hund nicht unter Kontrolle hätte. Keiner im Warteraum hatte irgendein Problem mit dem Hund, der mit dem Schwanz wedelte, und sich freute, dass die Frau ihn streichelte. Also sichtbar keine Bedrohung für irgendwen darstellte. Letztlich durften Mann und Hund in den Bus, aber erst nachdem der Fahrer ein riesen Fass aufmachte, rumschimpfte, ihn zurück zum Ticketschalter schickte – völlig unnötig. Für ein Unternehmen, dass sich nach einer Hunderasse nennt und dessen Logo aus diesem Tier besteht war das eine ganz schlechte Leistung.

Ein weiteres Ärgernis war der Zustand Deiner Busse. Einige in denen wir fuhren fielen fast auseinander, viele rochen sehr schlecht. Mit ein bißchen mehr Wartung und Pflege könntest Du da leicht ganz viel verbessern.

 

Wenn ich online den besten Weg von einem Ort zum nächsten recherchierte, stieß ich regelmäßig auf Warnungen, nicht mit Dir zu reisen. Aus den Gründen, die ich jetzt schon ausführlich beschrieben habe, aber auch, weil Du Deine Busstationen häufig in eher zwielichtigen Gegenden errichtet hast. Das können wir jetzt aus erster Hand bestätigen. Deine Station in Miami beispielsweise liegt inmitten eines Industriegebiets, mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht zu erreichen. Wir mussten zum Flughafen fahren und von dort laufen, mit all unserem Gepäck. Außerdem hast Du Dein Schild an der Station dort gut versteckt, wir wären fast vorbei gelaufen. Die Station selbst hatte ihre besten Tage sichtbar hinter sich, sie bestand aus einem kleinen Wartebereich und draußen einer Raucherecke, sowie den Haltebuchten. Vor denen sich auch keine Schlange zum Einsteigen bildete, als der Bus kam. Rückblickend ist dies aber eher untypisch für Deine Stationen, immerhin sind sie meistens gut durchorganisiert, fast wie Flughäfen. Und viele Stationen waren auch praktisch und stadtnah platziert, mit guter Verkehrsanbindung, zum Beispiel Savannah, Albuquerque, Las Vegas und Los Angeles. Auf der anderen Seite gab es Flagstaff, Austin und Miami, die eher Negativbeispiele sind. Und ein absoluter Witz ist Deine Station in Sarasota – nur ein Schalter in der Mitte einer Baustelle (sieht aus, als sollte es mal ein karibisches Restaurant werden), neben einer Tankstelle, kein Schild, nichts, was auf Dich hinweist.

Wir schauen mit gemischten Gefühlen auf Dich und Deinen Service zurück. Einen Bus, hast Du gestrichen, wegen schlechten Wetters. Die Kommunikation dazu lief nicht gut, wir haben das erst zwei Stunden vor geplanter Abfahrt erfahren. Und auch nicht über das Internet oder telefonisch, über diese Kanäle gab es gar keine hilfreichen Informationen, sondern vor Ort an der Station. In Albuquerque hatte unser Bus nach Flagstaff drei Stunden Verspätung, und auch hier gab es während der Wartezeit kaum Infos von Dir. Verglichen mit anderen Passagieren hatten wir viel Glück – mit uns warteten Leute, die seit 12 Stunden in Deiner Station gestrandet waren.

Letztendlich haben wir mit Dir viel erlebt, was ich nicht missen möchte. Aber jetzt ist es Zeit für was Neues. Viele Orte, die wir besuchen wollen, können wir mit Dir nicht erreichen, zum Beispiel Death Valley. Wir werden Dich aber definitiv nicht vergessen!

Viele Grüße,

Anja & Henry.

 

So sieht Reisen mit Greyhound aus:

Kommentare sind geschlossen.