Mit dem Zug von Moskau nach Peking – unsere Transmongolischen Erfahrungen

Mit dem Zug von Moskau nach Peking – unsere Transmongolischen Erfahrungen

 

Bisher habe ich unsere Busfahrt durch die USA für eine lange Reise gehalten. Dann sind wir auf diesen Trip gestartet.

Zusammengefasst: 7826 Kilometer, 5 Zugfahrten von 22 bis 32 Stunden jeweils, circa 140 Stunden im Zug verbracht, drei unterschiedliche Länder und Kulturen, sechst Städte zu entdecken.

 

Die Züge

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Auf den ersten Blick alt, dennoch meistens sauber und und angenehm. Die Züge in Russland waren meist stark beheizt, also am besten ein T-Shirt anziehen. Insgesamt ist der Dresscode recht leger, jeder schlüpft nach Abfahrt in Jogginghosen.

In jedem Wagen befindet sich ein Samowar mit heißem Wasser für Tee und Kaffee. Die Schaffnerin (in Russland ausschließlich Frauen, “Provodnitza” genannt) verleihen Gläser und Löffel und verkaufen bei Bedarf auch Teebeutel, Kaffee und kleine Snacks. In manchen Tickets war ein Essen inbegriffen, manchmal gab es zusätzlich noch eine Tüte mit Proviant kurz nachdem der Zug losgefahren war, meist Snacks, Joghurt, Teebeutel und eine Wasserflasche. Verhungern musste man auf keinen Fall, Essen und Getränke gabs an allen Bahnhöfen in kleinen Kiosken zu kaufen, die praktischerweise oft direkt neben den Gleisen standen. Der Zug hielt in den größeren Städten 20 Minuten und länger.

Es gab keine Duschen im Zug (zumindest nicht in der zweiten Klasse, mit der wir unterwegs waren), aber natürlich Toiletten, deren Zustand sich verschlechterte, je länger wir unterwegs waren.
Sicherheitshalber sollte man sein eigenes Toilettenpapier dabei haben. Der mit Abstand schlechteste Zug, mit dem wir fuhren, war der von Ulan Bator nach Peking. Der Schaffner kümmerte sich kein Stück, der Samowar war die meiste Zeit ausgeschaltet, es war insgesamt schmuddelig und über die Toiletten verlieren ich lieber kein Wort… Zum Glück war das die absolute Ausnahme.

Wie gesagt reisten wir zweiter Klasse, heißt wir hatten jeder einen Liegeplatz in einem Abteil mit insgesamt wir Plätzen. Die russischen Züge schienen etwas größere Abteile zu haben als die Züge durch die Mongolei und China. Generell konnte ich auf den Pritschen gut schlafen, das leichte Schaukeln des Zuges und die Fahrgeräusche scheinen schläfrig zu machen. Nur während der Grenzübergänge war an schlafen nicht zu denken.

 

Die Mitreisenden

In den russischen Zügen sind wir ausschließlich mit Russen gereist, wir haben kaum andere ausländische Touristen getroffen. Unsere “Abteilungsgenossen” konnten in den seltensten Fällen Englisch sprechen, aber es ist schon erstaunlich, wie gut man sich mit einigen wenigen Sprachfetzen sowie der Hilfe von Händen und Füßen unterhalten kann. Auf dem Weg von Jekterinburg nach Novosibirsk haben wir uns mit einer Frau über Gott und die Welt unterhalten, über die Flüchtlingskrise in Europa, über die Situation in der Krim, über Russlands Kriegseinsatz in Syrien, bis hin zu ihrem Türkeiurlaub, in dem sie in einem Hotel mit lauter Deutschen Touristen gelandet war, was ihr gar nicht passte (zu viele Kinder, fand sie, in Russland würde man mit kleinen Kindern nicht in den Urlaub fahren…). Und dass, obwohl ihr Englisch auf einem ähnlich rudimentären Level war wie mein Russisch. Nun habe ich immerhin gelernt, dass “Kipr” das russische Wort für Zypern ist. Hat circa 20 Minuten gedauert, das rauszufinden…

Unser Wagen im Zug von Irkutsk nach Ulan Bator war dagegen hauptsächlich von Deutschen Reisenden bevölkert (dies war übrigens der einzige Zug, in dem wir ein Viererabteil die ganze Fahrt über für uns alleine hatten, war zur Abwechslung auch mal ganz nett). Von Ulan Bator nach Peking reisten wir mit vielen Briten.

 

Die Zwischenstopps

Von Moskau nach Irkutsk geht es durch fünf Zeitzonen, da sollte man entsprechend Zeit einplanen, um sich während der Aufenthalte zu akklimatisieren. Wir blieben mindestens drei Nächte in jeder Stadt.

Eine schöne Beschäftigung in Russischen Städten ist, nach lustigen Monumenten zu suchen. Die Russen lieben es offenbar, Denkmäler für alles Mögliche aufzustellen. Zum Beispiel für die Computertastatur oder de Beatles in Yekaterinburg (hätte ich da nicht erwartet), oder für die Verkehrsampel in Novosibirsk. Das Monument für die Transsibirische Eisenbahn, ebenfalls in Novosibirsk, ist dagegen ziemlich eindrucksvoll und gehört gerade auf einer solchen Reise zu den Dingen, die man gesehen haben sollte.

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Außerdem auf unserer To Do Liste in jeder Stadt in Russland: ein Selfie mit Lenin machen. Wirklich jede russische Stadt hat irgendwo ein unübersehbares Monument für Lenin errichtet, und alle sehen sich verdächtig ähnlich. Wurden irgendwo in einer zentralen Fabrik tausende davon gegossen und dann über Russland verteilt?

Ein letzter wichtiger Tipp für Städtetrips in Russland: Als Frau sollte man auch ein paar schickere Klamotten einpacken, am besten noch ein paar Highheels, um sich optisch einzufügen zwischen all die superchic gekleideten Russinnen, die durch die Städte spazieren. Ich hatte das nicht dabei und mich eigentlich immer irgendwie unpassend gekleidet gefühlt…

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Das Essen

Nun, das Essen im Zug ist eigentlich nicht der Rede wert. Wenn im Ticket eine Mahlzeit inbegriffen war, bekamen wir meistens Nudeln mit Huhn oder Rind, einmal gab es Borschtsch, die zwar etwas fettig war, aber gar nicht mal so schlecht. Die meiste Zeit machten wir es den reisenden Russen nach und brachten unser eigenes Essen mit. Instant-Nudeln, die man nur noch mit Wasser auffüllen brauchte, und Namen trugen wie “Business Lunch” oder “Tasty” (Schmackhaft), was sie nie waren. Natürlich nie besser als das Essen, das es im Zug gab, aber es half gegen den Hunger.

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Die Zwischenstopps waren daher für uns die Gelegenheit, uns für die Entbehrungen im Zug mit einem richtig guten Essen zu belohnen. Wir haben einige richtig tolle und dennoch günstige Restaurants auf unserer Reise gefunden, insbesondere in Russland. Unsere Favoriten:

Der Britannia Pub in Jekaterinburg: Sicherlich der Britischste Pub außerhalb Großbritanniens, und was das Essen angeht der beste, den wir besucht haben, auch inklusive der Britischen. Die Angestellten sprechen sogar etwas Englisch (sollte man auch meinen), das Essen ist Russisch-Britisch gemischt. Wir besuchten den Laden zum Mittagessen, und hatten ein fantastisches Roastbeef, das am Tisch flambiert wurde, und eine sehr leckere Borschtsch mit einem englischen Meat Pie.

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Das Beerman and Grill in Novosibirsk: Dieses Lokal bewahrte uns davor, in tiefe Depressionen zu verfallen. Zwei von drei Abenden in Sibiriens grauer Hauptstadt verbrachten wir dort. Das Essen ist international und Russisch (die Soljanka kann ich jedem empfehlen!), aber es war hauptsächlich der Service, der uns am meisten begeisterte. So etwas findet man in der Deutschen Gastronomie kaum noch: Professionelle sichtlich gut ausgebildete Angestellte, die aufmerksam sind ohne auf die Nerven zu gehen, und freundlich ohne schleimerisch zu wirken, sondern echt, warm und einladend. Wir haben uns direkt wie zu Hause gefühlt. Der Laden scheint eine Kette zu sein, versprühte aber nicht diese kalte, anonyme Atmosphäre, die man oft in Kettengastros verspürt.

Figaro in Irkutsk: Ein italienisches Restaurant, was von außen nicht wahnsinnig viel hermachte, aber wirklich hervorragendes, fast künstlerisch angerichtetes Essen zauberte. Keine Pizza, aber das machte gar nichts. Wir waren zwei Mal zum Abendessen dort und einmal zu Mittag, und wurden nie enttäuscht. Meine Favoriten waren die Zunge vom Reh und die Dorade mit Gemüse. Auch die Lasagne war sehr lecker, sie enthielt Weintrauben, was besser zusammenpasste, als es sich zunächst vielleicht anhört.

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Veranda in Ulan Bator: Noch ein italienisches Restaurant, und dieses hatte auch Pizza auf der Karte. Und was für eine Pizza. Vermutlich die beste, die ich je in meinem Leben essen durfte. Es gab auch – Italiener-untypisch – Burger, Henry hatte einen, und auch der war gleichermaßen hervorragend. Die Portionen waren außerdem riesig, insbesondere im Vergleich zu Russland, wo wir normalerweise ein Drei-Gänge-Menü wählten. Hier war ein Hauptgang mehr als genug, nicht mal mehr ein Dessert passt danach. Ich denke ernsthaft darüber nach, zurück nach Ulan Bator zu fahren, nur um diese Pizza nochmal zu essen. Allein das Bild und die Erinnerung lässt mir das Wasser im Mund zusammenlaufen….

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Die Grenzübergänge

Überraschenderweise war die Grenzüberquerung von Russland in die Mongolei umständlicher als von der Mongolei nach China einzureisen. Als wir Russland verließen stand der Zug für vier Stunden, während derer die Toiletten geschlossen waren. Die ganze Prozedur startete damit, dass die russischen Grenzbeamte durch jedes Abteil gingen und die Gepäckfächer gründlichst untersuchten. Sie hatten sogar Hunde dabei. Als nächstes wurden unsere Pässe eingesammelt, die Visas entwertet und wieder ausgeteilt, woraufhin der Zug sich erstmal wieder in Bewegung setzte. Nach ein paar Minuten hielt er aber wieder an, für die mongolischen Grenzkontrollen, die länger dauerten. Die Beamten sammelten wieder die Pässe und die Einwanderungskarten ein, die zuvor ausgeteilt wurden. Danach wurden die Abteile wieder kontrolliert, und dieses Mal auch die einzelnen Gepäckstücke. Im Abteil neben uns brachte ein Deutscher sich in Schwierigkeiten, als er versuchte, seine homöopathischen Globuli mit den Worten zu erklären, sie seien “wie Medizin, nur besser”. Als Resultat musste er den kompletten Inhalt seines Reiserucksacks entleeren, und alles wurde gründlich unter die Lupe genommen. Letztendlich durfte er einreisen und die Globuli behalten. Als die Beamtin zu uns kam, waren wir aufs Schlimmste vorbereitet, aber offensichtlich hatte ihr das auch gereicht, sie interessierte sich kaum für unsere Sachen.

Die Einreise nach China war dagegen ein Kinderspiel. Selbst auf der Mongolischen Seite lief es diesmal schnell, Pässe abgeben, zehn Minuten warten, Pässe wiederbekommen. Weder Gepäck noch Abteil wurden kontrolliert. Auch nicht auf der Chinesischen Seite. Lange dauerte es trotzdem, nur mussten wir diesmal auf den Zug warten. Da die Schienen in China anders sind als in Russland und der Mongolei, wurden alle Wagen voneinander getrennt, angehoben und auf neue Räder gesetzt. Spannend, aber auch ziemlich ruckelig und laut, an Schlafen war nicht zu denken.
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Zeitvertreib im Zug

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Was bleibt zu tun, wenn man genug von Unterhaltungen mit den Mitreisenden, Tee trinken und essen auf dem Zug hat? Gut beraten ist man, wenn man was zu lesen dabei hat (was mit nicht zu viel Anspruch, ich habe zwei weitere Bücher von George R. R. Martins Game of Thrones Reihe gelesen), Musik hören kann oder Filme schauen (und genug Speicher dabei hat zum Aufladen von Smartphones und Tablet) oder was zum Spielen hat (zum Beispiel einen Rubiks Cube, wir hatten die Lösung schon auf unserer ersten Reise nach Jekaterinburg raus).

Und man kann natürlich aus dem Fenster schauen. Die Züge zuckeln gemächlich vor sich hin, gefühlt nie schneller als 60 Kilometer pro Stunde, perfekt also, um die sich verändernden Landschaften, die Sonnenunter- und aufgänge zu bewundern. Die schönste Strecke war meiner Meinung nach die von Irkutsk nach Ulan Bator, der Zug fährt relativ lange direkt am Ufer des Baikalsees entlang. Auch die letzten Stunden unserer Reise, kurz vor Peking war spannend, erst die wunderschönen Berglandschaften, dann die “Vororte” und Industriegebiete, die die Stadt einläuten.

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